O L D I E S
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Be-
obachter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
B u tte rfie ld Blues Band
EAST <-> WEST
Audio Fidelity/Sieveking SACD
(p)
1966
(
45
’)
Auch als LP erhältlich
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Es ist eine verdienstvolle Tat, op.
2
der Butterfield Blues Band jetzt
remastered mit mehr Grundton-
wärme zu bringen. Das klingt nun
nicht mehr so ausgezehrt, und das
Live-im-Studio-Flair der Produk-
tion kommt besser zur Geltung,
sowohl auf der PCM- als auch der
SACD-Spur. Historische Patina hat
das Album dennoch in den letzten
50
Jahren angesetzt, denn bei den
ersten acht der neun Aufnahmen -
Traditionais, Coverversionen von
Blues-Klassikern und Abstecher
in Jazz- und New Orleans Rhythm
& Blues-Gefilde - fragt man sich,
ob der Enthusiasmus, mit dem das
Sextett aus Chicago seinen Idolen
huldigte, noch so ganz für Nachge-
borene nachvollziehbar ist.
Animals und Rolling Stones hat-
ten damals den Blues zurück nach
Hause gebracht, Letztere den auch
in den Chicagoer Chess Studios auf-
genommen. Aber der unter ande-
rem mit Muddy Waters befreun-
dete Mike Bloomfield betrachtete
die alle als einem Buddy Guy oder
Hubert Sumlin keinesfalls eben-
bürtig. Dass er bald wie-
der aus der Butterfield
Blues
Band
ausstieg,
hatte auch damit zu tun,
dass er bei Sessions mit
Dylan sein Ausnahmeta-
lent spektakulärer de-
monstrieren konnte. Bei
„I Got A Mind To Give Up
Living“ aber konnte Paul
Butterfield ihm dann die
Gelegenheit nicht ver-
wehren, als Solist zu bril-
lieren. Der Bandchef hat-
te da auch noch keinerlei Ambitio-
nen als Songwriter - den
13
-mi-
nütigen Titelsong komponierte
Bloomfield mit Nick Gravenites,
Letzterer wenig später Mitbegrün-
der der Electric Flag. Der sprengte
das konventionelle Blues-Schema
ähnlich wie die Gitarristen von Jef-
ferson Airplane und Quicksilver
Messenger Service konventionel-
len Psychedelic Rock mit ihren Im-
provisationen. Nicht nur für den
Bloomfield-Fan Eric Clapton, son-
dern auch für viele Kollegen war
das, was er mit Elvin Bishop zeleb-
rierte, die Blaupause, an der sich
die kommende Generation von Gi-
tarren-„Göttern“ orientierte.
OLDIE DES MONATS
Atlantic
2
CDs (p)
1969
(auch als LPs)
(
116
’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
LED ZEPPELIN II
Atlantic
2
CDs (p)
1969
(auch als LPs)
(
74
’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★
LED ZEPPELIN III
Atlantic
2
CDs (p)
1970
(auch als LPs)
(
85
’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Beim neuesten Remaster des De-
büts sind die Stereo-Kanäle links/
rechts wieder so angeordnet wie
bei der originalen englischen Po-
lydor-Vinylpressung von
1969
-
also nicht vertauscht wie bei CDs
zuvor. Was darauf hindeutet, dass
Jimmy Page für die Überspielungen
John Davis bei Metropolis Maste-
ring tatsächlich die Originalbänder
zur Verfügung stellte. Von „besse-
rem“ oder „schlechterem“ Klang
kann man dennoch kaum reden.
In seiner sagen wir mal un-
orthodoxen Produktion hat-
te sich Page nach dem Verständnis
des Profis Glyn Johns manche hand-
werklichen Fehler erlaubt. Die durch
einen Remix des Multitrack-Origi-
nals nicht zuletzt höherer Klangqua-
lität wegen zu korrigieren, hätte für
den Led Zeppelin-Sound womög-
lich einige so deutliche Eingriffe be-
deutet, dass sich Page wohl schon
deswegen nicht mit der Idee an-
freunden mochte. Statt solcher Re-
mixes findet man auf der Bonus-CD
den Auftritt in Paris vom
10
. Okto-
ber
1969
- im Vergleich zum be-
rühmten am
9
. November
1969
in
Oakland mit Sennheiser-Mikro auf
Uher Report mitgeschnitten „Liver
Than You’ll Ever Be“-Bootleg der
Rolling Stones von geradezu unter-
irdischer „Klangqualität“!
Dass John Paul Jones am Bass bei
„LZ II“ oft um einiges prominen-
ter im Mix erscheint als zuvor und
Stimmen etwa bei „Thank You“ nicht
mehr verfärbt klingen, ist erfreulich.
Keine Änderungen verordnete Pa-
ge bei Hardrock wie „Heartbreaker“
und „Whole Lotta Love“. Optimiert
in der Balance (auch Plants Stim-
me!) wurde „Ramble On“, die viel-
leicht beste Abmischung überhaupt,
die Eddie Kramer bei dem teils prob-
lematischen Material gelang, das
man ihm zur Arbeit angeliefert hat-
te. Bei den Outtakes der zweiten CD
- frühe Roh-Mixes - halten sich Er-
kenntnisgewinn und Hörvergnügen
in extrem engen Grenzen.
Bei den Zugaben „LZ III“ dage-
gen kommt erstmals richtig Freude
auf, auch wenn diese Alternativ-Mi-
xes (mit und ohne Sänger) mehr be-
stätigen denn überraschen: Mit Ex-
kursionen in Folk und Country Blues
war dies bis dato ambitionierteste
Projekt auch klanglich endlich fa-
belhaft realisiert. „That’s The Way“
im Rough Mix ist Gänsehautmusik
wie auch „Gallows Pole“. Den größ-
ten klanglichen Mehrwert von allen
Überspielungen präsentieren nicht
nur die (semi)akustischen Klassiker,
sondern genauso Rocker wie „Celeb-
ration Day“.
The Brothers and Sisters o f L. A.
DYLAN’S GOSPEL
Light In
The Attic/Cargo CD
(auch als LP)
(
37
’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ _£★ _
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★
Die
Betreiber
der
Website
jonimitchell.com geben sich größ-
te Mühe, auch noch die entlegenste
Coverversion von Songs ihres Idols,
das weltweit irgendwo aufgenom-
men wurde, zu dokumentieren. Ver-
gleichbares bleibt im Fall von Bob
Dylan Sisyphusarbeit. Die Zahl der
Interpreten, die dessen Songs über
Jahrzehnte in alle möglichen Gat-
tungen von Folkrock bis Jazz trans-
ponierten, ist Legion.
Produzent Lou Adler war
1969
fest davon überzeugt, dass man sie
ins Gospel-Idiom übersetzen kön-
ne - nicht nur sich ideal anbieten-
de Kompositionen wie „I Shall Be
Released“ oder „Chimes Of Free-
dom“ mit ihrer substanziell religiö-
sen Thematik, sondern auch ein
Liebeslied wie „I’ll Be Your Baby
Tonight“ oder das die Frage nach
Gott und dem Sinn des Lebens sehr
skeptisch stellende „All Along The
Watchtower“. Einige in der Branche
sehr gefragte, weil stimmgewalti-
ge Backup-Sängerinnen wie Cly-
die King, Merry Clayton und Gloria
Jones hatte er ohnehin unter Ver-
trag. Zwei Dutzend weitere großer
Sangeskunst mächtige Gospel-Spe-
zialisten - auch acht männlichen
Geschlechts - sagten sofort zu,
als man ih-
nen das Pro-
jekt vortrug.
Wenn man ei-
nes bedauern
kann, dann,
dass Dirigent
Gene Page sie
in seinen Ar-
rangements
nie auch mal zwischendurch pro-
minent zur Geltung kommen ließ,
sondern - bis auf die Ausnahme
„Chimes Of Freedom“ - scheint’s
mehr Aretha Franklin-Fans als Pub-
likum im Kopf hatte.
Die im Kleingedruckten am En-
de nirgends genannten, für Auf-
nahmen und Abmischung zuständi-
gen Tonmeister brachten das Kunst-
stück zuwege, dass die ausnahms-
los in einem Tonstudio eingespiel-
ten Aufnahmen so klangen, als
hätte man die Sänger in einer Kir-
che aufgezeichnet. Sogar bei „All
Along The Watchtower“ und dem
Vers „There’s many here among us
who think that life is but a joke.“
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht
STEREO 9/2014 125